Morgengedanken – Masken und Panzer

6. September 2024 Von Ron

Ich frage mich immer öfter, ob ich mittlerweile gelernt habe, meinen Panzer selbst zu steuern. Jahrelang habe ich ihn getragen und alles was in mir vorgeht, vor meiner Umwelt verborgen. Er war ein Schutz und hat natürlich auch sehr geholfen, meine Krankheit zu verbergen. Ich habe die Welt um mich herum immer ein Stück auf Abstand gehalten und keiner hat mitbekommen, was los war. Naja, fast keiner, denn meiner Frau konnte ich in der Hinsicht noch nie etwas vormachen und das wollte ich auch nie. Sie hat mit Sicherheit lange vor mir gewusst, was wirklich los war und hat es einfach getragen, ohne je ein Wort zu sagen.

In den Klinikzeiten habe ich das erste Mal aufgemacht und den Panzer abgelegt, Stück für Stück. Und mittlerweile bewege ich mich viel mit offenem Panzer. Das erhöht zwar die Gefahr, aber es trägt auch dazu bei, dass ich Menschen nicht mehr „verpasse“, die mir gut tun. Und darüber bin ich froh. Es ist einfach so, wenn man mit offenem Visier durch die Welt geht, dann sieht man manchmal, es gibt andere Menschen, die noch nicht so vollkommen in der Gier und der Intoleranz eingebuddelt sind. Menschen, die auch sehen, wie schön ein Regenbogen aussieht, wie gut die Luft nach einem Sommerregen riecht und wie wundervoll die Stille und der Gesang der Vögel am frühen Morgen sind.

Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, wir tragen Masken, weil wir uns nicht trauen, wir selbst zu sein. Wir wollen unbedingt einem Bild entsprechen, dass von der Gesellschaft als gut und richtig angesehen wird. Leider ist das Bild hässlich, denn es wird von Besitz und Erfolg und Geld geprägt. Und wir sind so damit beschäftigt, dieses Bild von uns mit aller Kraft aufrecht zu erhalten, dass wir keine Energie mehr haben, einfach zu leben und die schönen Momente zu erleben und zu genießen.

Es wirkt immer so, als ob nichts, was nicht bildlich auf Instagram, oder Twitter, oder sonst einem exponierten Medium festgehalten wurde, wirklich existieren würde. Unsere Erinnerung an schöne Augenblicke hat immer weniger Wert für uns. Dabei ist sie das realste, was es gibt. Sie ist in uns verankert und bleibt bei uns, näher als alle Fotos und Videos und die Unterhaltungen, die unsere Umwelt vielleicht darüber führt.