Morgengedanken – Zusammen oder alleine
1. September 2024Gestern habe ich mich mit einigen Freunden aus der ersten Therapiezeit getroffen. Das machen wir regelmäßig und diese Menschen, die ich in der Klinik kennen gelernt hab, in meinem Leben zu haben, ist mir sehr wichtig und ein wundervolles Gefühl. Sich mit Leuten auszutauschen, bei denen ich mir hundertprozentig sicher bin, dass sie verstehen, was in mir vorgeht, weil sie eine ähnliche Geschichte erlebt haben, ist unbezahlbar.
Wir haben uns darüber unterhalten, wie es wäre, in einer Situation zu sein, wo man es alleine nicht schafft, zum Beispiel einen Rückfall zu vermeiden, oder auch nach einem Rückfall zu der Erkenntnis zu gelangen, „Scheiße, ich bin abgestürzt und jetzt brauche ich Hilfe“. Die Frage ist, wende ich mich in dem Moment an diese Menschen, die mir nahe stehen und mich auch so gut verstehen können? Oder ziehe ich mich zurück und versuche, alles wieder auf den richtigen Weg zu bringen, ohne sie zu belasten.
Dabei ist mir aufgefallen, dass ich diese Frage nicht wirklich beantworten kann. Ich weiss zwar, sie wären sofort für mich da. Und ich weiss auch, da sie dasselbe oder ähnliches erlebt haben, würden sie genau verstehen, wie es mir geht. Aber ich weiss auch noch etwas anderes. Eines der schwierigsten Dinge für mich in der Zeit meiner „Reise“ war es, mich abzugrenzen und über dem Wunsch, anderen zur Seite zu stehen, nicht mich selbst aus den Augen zu verlieren und vor allem nicht zu vergessen, dass die Hilfe für einen anderen in dem Fall eine große Belastung für mich selbst darstellt.
Würde ich also, wenn ich in einer solchen Situation wäre, die Menschen um Hilfe bitten, von denen ich weiß, sie verstehen mich und sie unter Umständen damit in ihrem eigenen Kampf um ein gutes Leben zusätzlich belasten, von ihnen Kraft nehmen, die sie doch für sich selbst brauchen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, als ich letztes Jahr die „Reise“ in mein neues Leben begann, da war mir klar, ich brauche Hilfe. Und mir war klar, ich schaffe es nicht allein. Aber um Hilfe bitten, das fiel mir sehr schwer, ist mir immer schon schwer gefallen. Und letztlich war es leichter für mich, fremde Menschen in der Klinik um Hilfe zu bitten und es war auch leichter, ausgerechnet mit fremden Menschen, die mich gar nicht kannten über die Dunkelheit in mir zu sprechen.
Jetzt sind einige dieser Menschen in meinem Herzen und ich kann nicht sagen, ob ich ggf. bereit und in der Lage wäre, sie zu bitten, mit mir an den Abgrund zu treten, dem sie selbst so nahe waren.