500 days of 2nd Live

13. Oktober 2024 Von Ron

Gestern morgen habe ich ein irgendwie komisches Gefühl gehabt. Als würde ich in der Zeit noch mal zurückreisen, was ja sehr unwahrscheinlich wäre, und verschiedene Momente noch einmal erleben, als würden sie immer kurz in meinem inneren aufblitzen, um mir irgendwas zu sagen, mich an irgendwas zu erinnern. Und mir war klar, was mir diese gedankliche „Fahrt auf dem Zeitkarussell“ sagen wollte.

Gestern vor 500 Tagen habe ich meine Reise angetreten. Gestern vor 500 Tagen habe ich zum letzten Mal getrunken und ich bin immer noch einigermaßen verwundert, manchmal sehr irritiert, aber immer dankbar, wenn ich erkenne, wieviel das in meinem Leben verändert hat. Wie ich mich verändert habe und mein Verständnis vom Leben, von der Welt und auch von den Menschen darin. Aber vor allem die Veränderungen an mir selbst, die man zum großen Teil gar nicht wahrnehmen kann, sind es, die mich so dankbar machen für jeden einzelnen Tag, denn ich seitdem erlebt habe.

Es waren bei weitem nicht immer schöne Tage, eher nicht immer schöne Momente, denn die Tage setzen sich ja aus vielen Augenblicken zusammen. Und ich habe vor allem wieder gelernt, die Momente einzeln wahrzunehmen und so auch an den dunklen Tagen die schönen Dinge nicht zu übersehen. Aber die Zeit war dennoch nicht immer leicht, oft traurig und schmerzhaft und es hat lange gedauert, wieder an den Punkt zu kommen, ab dem ich selbst die Kontrolle hatte und in der Lage war, die schlechten Gedanken und Gefühle, die nun mal zu jedem Leben gehören, einfach mal kommen und gehen zu lassen.

Und vor allem das „gehen lassen“ war in den Jahren davor immer so eine Sache. Ich konnte die Dinge, die mich belasteten zwar immer mit ordentlichen Mengen an Alkohol aus meinem Kopf spülen und sie an dem Platz ganz hinten halten, den ich für sie vorgesehen hatte. Aber dennoch kamen sie natürlich immer wieder zurück und das ganze Spiel begann wieder von vorne, wie ein schlechtes Lied in Dauerschleife.

Das ist sicher eines der Dinge, für die ich am dankbarsten bin. Ich habe gelernt, mich mit diesen Emotionen und Gedanken auseinanderzusetzen, sie anzunehmen und in mein Leben zu integrieren und dann auch wieder gehen zu lassen. Oftmals schreibe ich sie einfach auf, das ist ein sehr funktionales und vor allem viel gesünderes Mittel, sie aus meinem Kopf zu bringen und Platz für neueres, schöneres zu schaffen.

Man kann sicher mit allem Recht die Welt, in der wir leben, mit viel Sorge, Wut, Angst, Hoffnungslosigkeit und allen anderen belastenden Gefühlen und Gedanken betrachten, die es für uns Menschen gibt. Und mit Sicherheit sind es wir Menschen, die die Welt zu so einem grauen Ort gemacht haben und immer weiter machen, aber selbst wir haben es in unserer Ignoranz noch nicht geschafft, die schönen Dinge, die das Leben für uns bereit hält, zu völlig zu zerstören.

Und heute seit 501 Tagen kann ich sie wieder wirklich sehen und bewundern und mich daran erfreuen. Und wenn Du auch das Gefühl hast, Du siehst nicht richtig klar, wie bunt und schön das Leben ist, die Welt noch immer ist, dann liegt es vielleicht auch daran, dass Du lernen musst, die Momente wahrzunehmen und das dunkle auch mal einfach gehen zu lassen, um Platz zu schaffen.